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Sonntag, 5. April 2020

"Das waren noch gute Zeiten, da ich noch alles glaubte, was ich hörte." Theodor Fontane (angeblich)

Das ist ein Theodor Fontane unterschobenes Zitat von Georg Christoph Lichtenberg.
Dieser ironisch wehmütige Satz aus Georg Christoph Lichtenbergs  Sudelbüchern wird seit etwa 10 Jahren in Online-Zitatsammlungen irrtümlich Theodor Fontane zugeschrieben, und gilt seitdem im Internet öfters fälschlich als Theodor-Fontane-Zitat.

Georg Christoph Lichtenberg:

  • "Ach! das waren noch gute Zeiten, da ich noch alles glaubte, was ich hörte."
    Georg Christoph Lichtenberg: Sudelbuch K 50, Erstdruck:  1801 (Link); (zeno.org)

Twitter, 2020:

 

 


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Quellen:
Georg Christoph Lichtenberg: Vermischte Schriften, nach dessen Tode aus dessen hinterlassenen Papieren gesammelt. Herausgegeben von Ludwig Christian Lichtenberg und Friedrich Kries. Band 2, Dietrichsche Buchhandlung, Göttingen: 1801, S. 15 (Link) ; (zeno.org)


Beispiele für falsche Zuschreibungen an Theodor Fontane:
 sahr.de/g41/zitate.pdf
aphorismen.de/zitat/7919
gutezitate.com/zitat/125810
zitate.de

Twitter

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Dank:
Ich danke Tobias Blanken für die Aufdeckung dieses Falschzitats.



Samstag, 28. März 2020

"Prognosen sind schwierig, besonders wenn sie die Zukunft betreffen." Karl Valentin (angeblich)

Pseudo-Karl-Valentin-Zitat.


Dieses in vielen Sprachen weitverbreitete, witzige Bonmot wird Karl Valentin erst im 21. Jahrhundert untergeschoben.

Geprägt wurde es in dänischer Sprache in den 1930er oder 1940er Jahren, der erste schriftliche Beleg stammt aus dem Jahr 1948 (Link).

Alle Zuschreibungen an Karl Valentin, Mark Twain, Georg Christoph Lichtenberg, Kurt Tucholsky, Winston Churchill und einige andere haben sich als falsch herausgestellt. Niels Bohr könnte es gesagt haben, aber bisher ist noch kein Beleg dafür gefunden worden.

Pseudo-Mark-Twain-Zitat.


Ich folge da den Einschätzungen der Zitatforscher Wolfgang Mieder, Fred Shapiro, Barry Popik und vor allem Garson O'Toole, der die Entwicklungsgeschichte dieses Zitats am ausführlichsten dokumentiert hat (quoteinvestigator.com).


Entwicklung des Zitats:



1955
  • "Det er meget svært at spå, især om fremtiden", sagde Storm Petersen (Link)
 1956
  • "Alas, it is always dangerous to prophesy, particularly, as the Danish proverb says, about the future." 
1971
  • We must test all intellectually respectable lines of inquiry, while keeping in mind that, as the great Danish physicist Neils Bohr said, “it is very difficult to predict — especially the future.”

1977
  • Der Volksmund wußte es, kalauernd, schon immer; Wetterämter und Wirtschaftsinstitute mußten es erst leidvoll erfahren: „Voraussagen sind schwierig, besonders für die Zukunft". (Link)

1978
  • Es gibt den bekannten Satz: Prognosen sind schwierig, besonders in bezug auf die Zukunft. (Link)
1984/1985
  • Ob bei der Physik noch etwas herauskommt, diese Frage kann niemand beantworten. lch erinnere an den Satz von Lichtenberg: «Alle Vorhersagen sind schwierig, besonders wenn sie die Zukunft betreffen.» (Link)


1989
  • "Prognosen sind immer schwierig, besonders, wenn sie die Zukunft betreffen" hat Niels Bohr einmal gesagt.  (Link)
1990
  • Aber, wie der große Däne Niels Bohr einmal warnend feststellte: „ Voraussagen sind schwierig - vor allem wenn sie die Zukunft betreffen." S. 54f. (Link) 
1991
  • Hier scheint sich die amerikanische Weisheit bestätigt zu haben, daß Prognosen schwierig sind, vor allem dann, wenn sie die Zukunft betreffen.  (Link)
2003
  • Schliesslich sagt ein altes chinesisches Sprichwort nicht umsonst, dass Prognosen dann besonders schwierig sind, wenn sie die Zukunft betreffen. (Link) 

 

[Ist Ihnen ZITATFORSCHUNG zur Eindämmung falscher Zitate etwas wert? (Link)]



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Quellen:


Garson O'Toole: "It’s Difficult to Make Predictions, Especially About the Future: Niels Bohr? Samuel Goldwyn? K. K. Steincke? Robert Storm Petersen? Yogi Berra? Mark Twain? Nostradamus? Anonymous?", 2013 (quoteinvestigator.com).


 Artikel in Arbeit

Dienstag, 2. Oktober 2018

"Gesetzt den Fall, wir würden eines Morgens aufwachen und feststellen, dass plötzlich alle Menschen die gleiche Hautfarbe und den gleichen Glauben haben, wir hätten garantiert bis Mittag neue Vorurteile.“ Georg Christoph Lichtenberg (angeblich)

Pseudo-Georg-Christoph-Lichtenberg-Zitat.
Dieser Aphorismus wurde dem Physiker, Mathematiker und Aphoristiker Georg Christoph Lichtenberg 200 Jahre nach seinem Tod ohne Quellenangabe erstmals zugeschrieben. Weder ich, noch zum Beispiel die Kenner von Lichtenbergs Werken der Göttinger Lichtenberg-Gesellschaft haben diesen Satz so oder so ähnlich in den Schriften oder Briefen Lichtenbergs gefunden.

Das Zitat ist also aller Wahrscheinlichkeit nach eines der vielen Kuckuckszitate, die diesem berühmten deutschen Aphoristiker unterschoben werden. Die Lichtenberg-Gesellschaft hat eine Liste dieser falschen Zitate unter dem Titel "Lichtenbergs Enten" (pdf) publiziert.

Wie es zu diesem Falschzitat gekommen ist, wissen wir nicht. Michael Blume hat einen ähnlichen Aphorismus über die schnelle Verbreitung neuer Vorurteile in der ins Deutsche übersetzten Schrift "Kritik der Abhandlung ‘Über die Vorurteile'” des preußischen Königs Friedrich II. gegen den französischen Philosophen Holbach gefunden.

Friedrich II., 1770

  • "Ich habe soeben ein Buch gelesen, das den Titel fuhrt: »Über die Vorurteile«. Während ich es prüfend las, fand ich zu meinem äußersten Erstaunen, daß es selber von Vorurteilen strotzt.
    ....
    Ich möchte beinahe versichern, daß in einem Staat, wo alle Vorurteile ausgerottet wären, keine dreißig Jahre vergehen würden, ohne daß man neue aufkommen sähe; worauf die Irrtümer sich mit Geschwindigkeit ausbreiten und das Ganze wieder überschwemmen würden. Wer sich an die Phantasie der Menschen wendet, wird allemal den besiegen, der auf ihren Verstand einwirken will."
    Friedrich der Große: "Kritik der Abhandlung ‘Über die Vorurteile'”, 1770  (Link)
Vourteile scheinen sich also so schnell zu verbreiten wie falsche Zitate.
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Quellen:
Lichtenberg-Gesellschaft: "'Lichtenbergs Enten.' Fälschlich Georg Christoph Lichtenberg zugeschriebene Zitate." pdf
Friedrich II: "Examen de l'Essai sur Ies préjugés." A Londres, chez Nourse libraire, MDCCLXX“. "Kritik der Abhandlung ‘Über die Vorurteile'”, 1770,  Œuvres de Frédéric le Grand - Die Werke Friedrichs des Großen in deutscher Übersetzung, Band 7, Politische Schriften, Berlin: 1912, S. 242;  Digitale Ausgabe der Universitätsbibliothek Trier (Link)
Michael Blume: "Funktionen und Gefahren von Vorurteilen. Zum berühmten Aphorismus von Georg Christoph Lichtenberg – oder von Friedrich II", 12. April 2016 scilogs.spektrum.de
Mitteilungen der Lichtenberg-Gesellschaft, Brief 53, Dezember 2016, Göttingen, Darmstadt: 2016, S. 24: "So wenig, wie der Begriff 'garantiert' zu den Lichtenbergschen Konjunktiven passt, so sicher finden sich Zitat und Gedanke nicht in den Sudelbüchern und im Briefwechsel."  (Link)

Beispiele für falsche Zuschreibungen an Lichtenberg;
1999: de.alt.soc.transgendered, 12.05.99 groups.google (früheste Zuschreibung an Lichtenberg)
2015: http://haraldk.de/Sprueche 
aphorismen.de/zitat/14580
https://gutezitate.com/zitat/197968
afd-hessen