Mittwoch, 14. März 2018

"Wir denken selten an das, was wir haben, aber immer an das, was uns fehlt.“ Arthur Schopenhauer (angeblich)

Querdenker Club.

Dieses seit etwa 20 Jahren verbreitete Zitat variiert und verkürzt einen Satz aus dem handschriftlichen Nachlaß Arthur Schopenhauers, und ist wahrscheinlich aus einer Rückübersetzung aus dem Englischen entstanden.

Urpünglich lautet Schopenhauers Satz:

Arthur Schopenhauer

  • "Daher sind wir stets bedacht aufzufinden was uns fehlt und darauf unsre Betrachtung zu richten: was wir aber besitzen, läßt jene Maxime uns ungestöhrt übersehn: daher wir, sobald wir etwas erlangt haben, ihm viel weniger Aufmerksamkeit schenken als vorher, selten bedenken was wir besitzen, stets was uns fehlt. " (Link)

Übersetzungen:

  • "We seldom think of what we have, but always of what we lack." 1896 (Link)
  • "We rarely think of what we possess, but always about what we lack."

Rückübersetzungen:

  • "Wir denken selten darüber nach was wir haben, immer nur darüber, was uns fehlt." 1997 (Link) 
  • "Wir denken selten an das, was wir haben, aber immer an das, was uns fehlt." 2005 (Link)
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Shakespeare?


Pseudo-Shakespeare quote.

Die Zuschreibung dieses Zitats an William Shakespeare kann nur irrtümlich passiert sein.

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Arthur Schopenhauer:

  • "Unsre beständige Unzufriedenheit hat großen Theils ihren Grund darin, daß schon der Selbsterhaltungstrieb, übergehend in Selbstsucht, uns die Maxime zur Pflicht macht, stets Acht zu haben auf Das was uns abgeht, um danach für dessen Herbeischaffung zu sorgen. Daher sind wir stets bedacht aufzufinden was uns fehlt und darauf unsre Betrachtung zu richten: was wir aber besitzen, läßt jene Maxime uns ungestöhrt übersehn: daher wir, sobald wir etwas erlangt haben, ihm viel weniger Aufmerksamkeit schenken als vorher, selten bedenken was wir besitzen, stets was uns fehlt. – Jene Maxime des Egoismus die zwar gut ist um die Mittel zum Zweck herbei zuschaffen, zerstöhrt aber zugleich den letzten Zweck, nämlich die Zufriedenheit, selbst: sie ist daher der Bär der dem Einsiedler die Fliege tödtet."
    Arthur Schopenhauer: Der handschriftliche Nachlass
    , Hrsg. von Arthur Hübscher, Band 1, 1966, S. 360 (Link)

  • "Therefore, as soon as we have obtained anything, we give it much less attention than previously; we rarely think of what we possess, but always about what we lack. But that maxim of egoism which is naturally good for procuring the means to the end, at the same time destroys the ultimate aim, namely ..."
    Arthur Schopenhauer: Manuscript Remains in Four Volumes: Early manuscripts (1804-1818), S. 397 (Link)

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Quellen:
Arthur Schopenhauer: Der handschriftliche Nachlass, Hrsg. von Arthur Hübscher, Band 1, Waldemar Kramer, Frankfurt am Main: 1966, S. 360 (Link)
Arthur Schopenhauer: Manuscript Remains in Four Volumes: Early manuscripts (1804-1818), Hrsg. von Arthur Hübscher, übersetzt von Valerie Egret-Payne, Oxford University Press: 1988, S. 397 (Link)

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Anmerkung
Fabel:
"Einst schlief der Einsiedler, und eine Fliege setzte sich ihm auf die Stirn. Halt, sagte der Bär, du böses Thier sollst meinen Herrn nicht im Schlafe stören. Was that er? Er nahm einen großen Stein in die Vordertatzen, und schlug damit nach der Fliege. Freilich schlug er die Fliege todt, aber den Einsiedler auch." (Link)
Bärendienst, nach La Fontaine (Link)

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Dank:

Ich danke Michael Gunczy für den Hinweis auf dieses Zitat und Ralf Bülow für seine Recherche.


 

"Der größte Feind des Wissens ist nicht Unwissenheit, sondern die Illusion, wissend zu sein.“ Stephen Hawking (angeblich)

Pseudo-Stephen-Hawking-Zitat.

Dieser mindestens 40 Jahre alte Aphorismus wird Sephen Hawking seit 2001 unterschoben. Er hat ihn weder geprägt, noch jemals verwendet, wie Garson O’Toole (Quote Investigator) herausgefunden und dokumentiert hat (Link).

Geprägt hat den Aphorismus der amerikanische Historiker Daniel J. Boorstin:
  • "The fact is the savior, as long as you don’t jam it into some preconceived pattern. The greatest obstacle to discovery is not ignorance—it is the illusion of knowledge."
    Daniel J. Boorstin, Interview, 19. Januar 1984, The Washington Post
    (zitiert nach Garson O'Toole (Link) ).
     
 Stephen Hawking hinterließ viele schöne und wahre Sätze. Es ist befremdlich, wie oft er an seinem Todestag (14. März 2018) mit diesem falschen Zitat gefeiert wird.

 Twitter, 14. März 2018:

 






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Quellen:
Auf Twitter kommen am Todestag Stephen Hawkings pro Stunde 30-40 verschiedene Tweets mit diesem Zitat; also insgesamt geschätzte 500 Tweets (ohne die Retweets zu zählen).
Twitter english
Twitter deutsch
Garson O’Toole (Quote Investigator):  "The Greatest Obstacle to Discovery Is Not Ignorance—It Is the Illusion of Knowledge: Daniel J. Boorstin? Stephen Hawking? Henry Thomas Buckle? Anonymous?", 2016   (Link)
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Letzte Änderung: 21/04 2020 

Montag, 12. März 2018

"Nur weil du paranoid bist, heißt das noch lang nicht, dass sie nicht trotzdem hinter dir her sind.“ Woody Allen (angeblich)

Screenshot.
Dieser Witz stammt aus den1960er Jahren von einer unbekannten Autorin oder einem anonymen Autor und wurde damals durch Graffiti und Sticker verbreitet, wie Graffiti-Sammler 1971 dokumentierten.

Erst päter wurde er Joseph Heller, Woody Allen, Delmore Schwartz, Henry Kissinger, John Hart, Terry Pratchett, Kurt Cobain und anderen zugeschrieben. Henry Kissinger scheint ihn so ähnlich  1973 wirklich gesagt zu haben und auch Kurt Cobain hat ihn in seinem Song Territorial Pissings (Nirwana, 1991)  eingebaut, aber nicht geprägt.  

Die Behauptungen, die Wendung komme in einem Film Woody Allens oder in Catch 22 vor, konnten bisher nicht verifiziert werden, sind also aller Wahrscheinlichkeit nach falsch, da schon seit Jahren vergeblich danach gesucht wurde. 

Der Quote Investigator hat den Ursprung des Witzes dokumentiert und sich den Film Catch 22 genau angeschaut (Link).

1960er Jahre
1973
  • "just because i’m paranoid, delmore schwartz used to say, doesn’t mean i don’t have enemies."
    (Link).
     
  •  Henry Kissinger
    (Link).

1981

  • "'I'm proud to be human. Make no mistake! As for the other,' he said, turning, 'just because you're paranoid doesn't mean They aren't out to get you."
    Terry Pratchett, Strate (EA 1981),  
    (LINK)
 1991
  • "Gotta find a way
    To find a way
    When I'm there
    Gotta find a way
    A better way
    I had better wait

    Just because you're paranoid
    Don't mean they're not after you"
    Chet Powers und Kurt Cobain:  Territorial Pissings (Nirwana, 1991)
1993, Woody Allen?
  • Anscheinend erstmals Woody Allen zugeschrieben; ohne Quellenangabe.  (Link)
2108
  • "Die Tatsache, dass ich ein Paranoiker bin, bedeutet nicht, dass sie nicht trotzdem hinter mir her sind. (Woody Allen)"

Der Witz wurde also von Henry Kissinger,  Delmore Schwartz, Terry Pratchett und Kurt Cobain verwendet, er stammt aber aus einer unbekannten Quelle aus den 1960er Jahren. Joseph Heller und Woody Allen scheint er irrtümlich zugeschrieben zu werden.
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Quellen:

Quote Investigator:  "Even Paranoiacs Have Real Enemies  Henry Kissinger? Delmore Schwartz? Sigmund Freud? Virginia McManus? Mark Harris? Buck Henry? Joseph Heller? Anonymous?" 2016  (Link):

Artikel in Arbeit

 (Link)

(Link)