Freitag, 8. September 2017

"Ich traue keiner Statistik, die ich nicht selbst gefälscht habe." Winston Churchill (angeblich)

Pseudo-Winston-Churchill-Zitat.


Dieses Zitat stammt weder von Winston Churchill noch von Joseph Goebbels: Es taucht in den digitalisierten Texten 1946 erstmals ohne Namen auf und in der ersten Person Singular erstmals 1967 als Bonmot von Bischof Otto Dibelius (Link).

 
Erst ab dem Jahr 1980 wurde der Spruch Winston Churchill unterschoben und das Anekdotenbuch von Bischof Dibelius scheint vergessen worden zu sein.

Durch Recherchen von Werner Barke vom Statistischen Landesamt Baden-Württemberg weiß man seit 2004, dass der Spruch in keiner Schrift Winston Churchills zu finden ist, allerdings wurde damals die Legende in die Welt gesetzt, Joseph Goebbels oder einer seiner Mitarbeiter habe wahrscheinlich den Spruch Winston Churchill unterschoben. 

Diese Legende wird heute von vielen statistischen Fachbüchern und Webseiten verbreitet (Link)

Da aber bis heute aus den Jahren 1933 - 1979 kein einziger Beleg für diese These gefunden wurde, kann man davon ausgehen, dass das Zitat nicht im Propagandministerium von Joseph Goebbels für Winston Churchill geprägt wurde.

Englische und französische Versionen des angeblichen Churchill-Zitats sind nur in Texten aus dem 21. Jahrhundert zu finden.

 

1946: 

  • "Was nutzt es also, wenn gewisse deutsche Regionen versuchen, die Welt zu überzeugen, sie seien an dem nazistischen Unheil „weniger“ schuld als ihre Brüder jenseits des Flusses? So viel haben sie schon gelernt, daß sie nur den Statistiken glauben, die sie selbst gefälscht haben."

    Hanns-Erich Haack: "Ameisenstaat oder Sintflut." Deutsche Rundschau, 1946, S. 139
    (Link) 

 

Bischof Otto Dibelius:

1967
  • "Im übrigen glaube ich nur an die Statistik, die ich selbst gefälscht habe."

    [Es ist nicht überliefert, in welchem Jahr der 1967 verstorbene Bischof diesen Satz geprägt hat.]

    In: "Anekdoten um Bischof Dibelius: Geist und Witz eines grossen Kirchenmannes", Bechtle Verlag, München und Esslingen: 1967, S. 79 (Link)

Ohne Zuschreibung an Dibelius oder Churchill:

 1978

  • "Sie wissen, dass man einer Statistik nur dann Glauben schenken darf, wenn man sie selber gefälscht hat."

    G. Stadler, Basel: "Genetik und Gesellschaft." Bull. Schweiz. Akad. Med. Wiss. 34, 1978, S. 309 (pdf)

 1979
  • "alten Spruch, der Ihnen sicher auch bekannt ist, man solle nur der Statistik glauben, die man selbst gefälscht hat." (Link)
 
  
Die früheste Zuschreibung des Bonmots an Winston Churchill taucht in den digitalisierten Texten am 2. Oktober 1980 auf: in einer Rede des Abgeordneten Kurt Bürer im Schweizer Nationalrat (Link).

 

Früheste Zuschreibungen an Winston Churchill:

 

1980

  • "Diese Statistik ist sicher seriös geführt. Ich zweifle nicht daran, aber bei solchen Statistiken wäre man versucht, mit Churchill zu sagen: 'Ich traue nur jenen Statistiken, die ich selbst gefälscht habe.' "

    Kurt Bürer (CVP), am 2. Oktober 1980, Schweizer Nationalrat, in: Amtliches Bulletin der Bundesversammlung. Bulletin officiel de l'Assemblée fédérale, 1980, S. 1116 (Link); 
    (pdf)

 1981

  • "Wie hatte schon Winston Churchill gesagt? 'Ich glaube nur den Statistiken, die ich selbst gefälscht habe.'"
    Peter Koch: Wahnsinn Rüstung. stern-Buch im Verlag Gruner + Jahr,  Hamburg: 1981, S. 92 (Link)

  • "Wie es um den Informationsgehalt von Statistiken steht, ist jedem bekannt. Churchill sagte einmal: 'Trau keiner Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast.' "

    Marianne Kohnen: Zusammenhang von Lohn und Produktivität. Deutsche Bauzeitung 1981, S. 110.

  • "Churchills kluges Bonmot über die Statistik – nur solchen Statistiken könne man glauben , die man selber gefälscht habe – kann auf alle menschlichen Erkenntnisse angewandt werden."

    Alberto Manguel, Gianni Guadalupi: Von Atlantis bis Utopia. Ein Führer zu den imaginären Schauplätzen der Weltliteratur. Christian Verlag, München: 1981, S. 5.


1982

  • "Man kann einer Statistik nur dann trauen, wenn man sie selbst gefälscht hat."

    In: Tim Wesski: "Waffen in germanischen Gräbern der älteren römischen Kaiserzeit südlich der Ostsee." B.A.R. Internat. Ser. 147, Oxford: 1982 (Link) 

1989
  • "Von Winston Churchill ist ja bekannt, daß er gesagt hat, er glaube nur der Statistik, die er selbst gefälscht habe."
Pseudo-Winston-Churchill-Zitat.



 

Einige Varianten des Pseudo-Winston-Churchill-Zitats: 

 

  • "Ich traue keiner Statistik, die ich nicht selbst gefälscht habe."
  • "Man kann einer Statistik nur dann trauen, wenn man sie selbst gefälscht hat."
  • "Man verwende keine Statistiken, es sei denn, man hat sie selbst gefälscht."
  • "Ich glaube nur Statistiken, die ich selbst gefälscht habe."
  • "I only believe in statistics that I doctored myself."
  • "The only statistics you can trust are those you falsified yourself." 
  • "The only statistics I trust are those I made up myself."
  • "Do not trust any statistics you did not fake yourself." 
  • "Je ne crois aux statistiques que lorsque je les ai moi-même falsifiées."
 
Pseudo-Churchill quote.

Pseudo-Winston-Churchill-Zitat.







 

________ 
Quellen:
Werner Barke: "Ich glaube nur der Statistik ... Was Winston Churchill über Zahlen und Statistik gesagt haben soll – und was er wirklich sagte." Hrsg.: Statistisches Landesamt Baden-Württemberg, Stuttgart: (2004) 2011, 6. Auflage (pdf)
"Die Zeit", Nr. 34/2004: "Von Chruchill?" (Link)
Wolf-Dieter Zimmermann: "Anekdoten um Bischof Dibelius. Geist und Witz eines großen Kirchenmannes", Bechtle Verlag, München und Esslingen: 1967, S. 79 (Link)
G. Stadler, Basel: "Genetik und Gesellschaft." Bull. Schweiz. Akad. Med. Wiss. 34, 1978, S. 309 (pdf)
Tim Wesski: "Waffen in germanischen Gräbern der älteren römischen Kaiserzeit südlich der Ostsee." B.A.R. Internat. Ser. 147, Oxford: 1982 (Link) 
Hanns-Erich Haack: "Ameisenstaat oder Sintflut." Deutsche Rundschau, 1946, S. 139 (Link) (Zitiert nach Wikipedia)

Schweizer Nationalrat: Amtliches Bulletin der Bundesversammlung. Bulletin officiel de l'Assemblée fédérale, 1980, S. 1116 (Link);  (pdf) 

Peter Koch: Wahnsinn Rüstung. stern-Buch im Verlag Gruner + Jahr Hamburg 1981. (Link) 
Wikiquote
Wikipedia

dicocitations.lemonde.fr - 40610


Beispiele für falsche Zuschreibungen:
sezession.de

amp.programme-television.org/news-tv 

 _______
Dank:
Ich danke Ralf Bülow für seine Recherchen zu diesem Zitat und Christian Seidl für seinen Hinweis auf den Schweizer Abgeordneten Karl Bürer.

 

Korrigierte Fassung, 11/9/2017; weitere Zitat-Funde vor 1946 und vor 1967 würden mich freuen. Letzte Änderungen: 4/9 2020.



    Freitag, 25. August 2017

    "Ich fürchte nicht die Rückkehr der Faschisten in der Maske der Faschisten, sondern die Rückkehr der Faschisten in der Maske der Demokraten.“ Theodor W. Adorno (angeblich)

    Pseudo-Adorno-Zitat.

    Seit 2007 wird dieses Zitat - immer ohne genaue Quellenangabe - Theodor W. Adorno unterschoben. Obwohl es schon viele gesucht haben, hat es noch nie jemand in einer Schrift oder in einem Interview von Adorno gefunden.

    Es ist also ein Falschzitat, und könnte durch die ungenaue Erinnerung an einen Satz Theodor W. Adornos aus seinem berühmten Radiovortrag: "Was bedeutet: Aufarbeitung der Vergangenheit?" (1959) entstanden sein. Bazon Brock zum Beispiel bezieht sich 2008 in seiner misslungenen Version (Link) dieses Zitats auf eine Äußerung Adornos "1959 im Rundfunk".

    Theodor W. Adorno, 1959:
    • "Ich möchte nicht auf die Frage neonazistischer Organisationen eingehen. Ich betrachte das Nachleben des Nationalsozialismus in der Demokratie als potentiell bedrohlicher denn das Nachleben faschistischer Tendenzen gegen die Demokratie. Unterwanderung bezeichnet ein Objektives; nur darum machen zwielichtige Figuren ihr come back in Machtpositionen, weil die Verhältnisse sie begünstigen." (Link)
    Theodor W. Adorno, 1959, ab 2:35. Diese Tonbandaufnahme unterscheidet sich in einigen Stellen von der gedruckten, etwas gekürzten Fassung des Vortrags.


    Die Wendung vom "Faschisten in der Maske der Faschisten" klingt so holprig wie "Monarchisten in der Maske von Monarchisten" oder "Liberale in der Maske von Liberalen" und ist einem Stilisten wie Theodor W. Adorno nicht zuzutrauen.

    Der Journalist Peter Mühlbauer war anscheinend der Erste, der diese Wendung Adorno zugeschrieben hat. Ob Peter Mühlbauer das Zitat selbst geprägt oder von einer unbekannten Person übernommen hat, weiß ich nicht.

    2007
    • "Ich fürchte mich nicht vor der Rückkehr des Faschisten in der Maske des Faschisten, sondern vor dessen Rückkehr in der Maske des Demokraten." 
      Peter Mühlbauer: "Unbewusstes Battle Reenactment." Telepolis, 4. Juni 2007 (Link)
    2008
    • "Theodor W. Adorno hat 1959 im Rundfunk geäußert, daß er nicht die Wiederkehr des Faschismus als Schlägerbande fürchte, die nach SA-Manier das Volk aufmische, sondern er fürchte die Wiederkehr des Faschismus als Demokratie." 
      Bazon Brock, 2008 (Link)

    2008 ist dieses Pseudo-Adorno-Zitat im Internet schon weit verbreitet und dokumentiert ist erstmals auch ein vergeblicher Versuch, die Stelle in einem Werk von Adorno zu finden. (Link)

    Varianten des Pseudo-Theodor-W.-Adorno-Zitats:

    • "Ich habe keine Angst vor der Rückkehr der Faschisten in der Maske der Faschisten, sondern vor der Rückkehr der Faschisten in der Maske der Demokraten."
    • Ich habe keine Angst vor Faschisten, in der Maske von Faschisten. Ich habe Angst vor Faschisten in der Maske von Demokraten."
    • "Ich fürchte nicht die Rückkehr der Faschisten in der Maske der Faschisten, sondern die Rückkehr der Faschisten in der Maske der Demokraten."
    •  "Theodor W. Adorno hat 1959 im Rundfunk geäußert, daß er nicht die Wiederkehr des Faschismus als Schlägerbande fürchte, die nach SA-Manier das Volk aufmische, sondern er fürchte die Wiederkehr des Faschismus als Demokratie." 
    • "Ich fürchte nicht die Wiederkehr des Faschismus gegen die Demokratie, sondern ich fürchte die Wiederkehr des Faschismus als Demokratie."
    • "I fear the return of fascists in the mask of democrats, not the return of fascists in the mask of fascists." 
    • "I don't fear the return of fascists in the mask of fascists, but I fear their return in the mask of democrats…"

    Pseudo-Theodor-W.-Adorno-Zitat.


    htt________
    Quellen:
    Google
    Twitter
    Theodor W. Adorno: "Was bedeutet: Aufarbeitung der Vergangenheit?" In: Gesammelte Schriften 10.2. Kulturkritik und Gesellschaft II: Eingriffe. Stichworte. Suhrkamp, Frankfurt am Main: 1977, S. 555-572 (Link)
    Klaus Baum: "Ein Adorno-Zitat?", 29. Oktober 2008 klausbaum.wordpress.com
    Peter Mühlbauer: "Unbewusstes Battle Reenactment." Telepolis, 4. Juni 2007 (Link)
    Bazon Brock: "Lustmarsch durchs Theoriegelände – Musealisiert Euch!", Du Mont, Köln: 2008 (Link)
    Twitter 

    Sonntag, 9. Juli 2017

    „Das Budget sollte ausgeglichen sein, die öffentlichen Schulden sollten reduziert werden und die Bürger sollten mehr arbeiten als sich auf die Gaben der Regierung verlassen!" Cicero (angeblich)


    Das Zitat variiert einen Satz, der 1965 der Romanfigur "Cicero" in den Mund gelegt wird. Er stammt sicher nicht aus klassischer Zeit, sondern aus dem Roman "A Pillar of Iron" (1965) von Taylor Caldwell (Link), aus dem auch noch ein anderes Pseudo-Cicero-Zitat populär wurde: "Eine Nation kann ihre Narren überleben – und sogar ihre ehrgeizigsten Bürger. Aber sie kann nicht den Verrat von innen überleben." (Link)

    Varianten des Falschzitats:
    • "The budget should be balanced; the Treasury should be refilled."
    • "The budget should be balanced, the treasury should be refilled, public debt should be reduced, the arrogance of officialdom should be tempered and controlled, and the assistance to foreign lands should be curtailed lest Rome become bankrupt. People must again learn to work, instead of living on public assistance." 

    • "Das Budget sollte ausgeglichen sein, die öffentlichen Schulden sollten reduziert werden und die Bürger sollten mehr arbeiten anstatt sich auf die Gaben der Regierung zu verlassen." 
    • "Das Budget sollte ausgewogen sein, der Schatz muss aufgefüllt werden, die Staatsverschuldung muss reduziert werden, die Arroganz der Bürokratie sollte temperiert und gesteuert werden, und die Hilfe von anderen Ländern sollten beseitigt werden, so dass Rom nicht in Konkurs gehen muss. Die Menschen müssen wieder lernen zu arbeiten, statt vom Staat zu leben." (Link)
     ______
    Quellen:
    Das Falschzitat ist zum Beispiel in:
    Karl Farmer, Harald Jung, Werner Lachmann (Hrsg): "Wirtschaftskrisen und der Vertrauensverlust in Wirtschaft und Politik: Ist das Vertrauen mit dem christlichen Ethos zu gewinnen?" Lit Verlag, Berlin: 2014, S. 3 (Link)
    Focus.de
     _____
    Taylor Caldwell: "A Pillar of Iron: A Novel of Ancient Rome", 1965. (Eine Ausgabe von 1965 hatte ich noch nicht in der Hand.) Google Books: (Link)
    Paul F. Boller jr., John George: "They Never Said It: A Book of Fake Quotes, Misquotes, and Misleading Attributions", Oxford University Press, Oxford / New York: 1989, S. 14 (Link)
    quoteinvestigator.com 

      „Ein Haus mit einer Bücherei darin besitzt eine Seele.“ Platon (angeblich)

      Pseudo-Platon-Zitat.
      Für dieses Zitat gibt es keine griechische Quelle, aber eine englische, denn seit 1877 wird es in der Fassung, "A house that has a library in it has a soul", irrtümlich Platon zugeschrieben, und zwar erstmals von dem amerikanischen Schriftsteller und Politiker Robert G. Ingersoll in seinem Buch: "The Liberty Of All"  (Google Books).

      Es könnte aus der Fehlerinnerung an ein Cicero-Zitat entstanden sein, das heute in vielen Varianten verbreitet ist. 

      Cicero bekam von seinem Freund Atticus neue Bücherregale und freute sich sehr, als der römische Grammatiker Tyrannio seine Bücher neu geordnet hatte.

       Cicero schrieb deswegen an Atticus:

      • "postea vero quam Tyrannio mihi libros disposuit mens addita videtur meis aedibus." (Link)
      •  "Seitdem Tyrannio meine Bücher in Ordnung gebracht hat, scheint mein Haus die Seele bekommen zu haben." (Link)
      • "Jetzt erst ist der Geist in mein Haus eingezogen – seit Tyrannio meine Bücher geordnet hat."
      • "And now that Tyrannio has put my books straight, my house seems to have woken to live."

        Marcus Tullius Cicero: Atticus-Briefe IV, 8 (Link)

      Aus diesem Satz Ciceros sind 2000 Jahre später folgende Pseudo-Zitate entstanden:


      • "A house that has a library in it has a soul." Plato
      • "Ein Haus mit einer Bücherei darin besitzt eine Seele." Platon
      • "Ein Haus ohne Bücher ist wie ein Körper ohne Seele." Cicero
      • "Einem Haus eine Bibliothek hinzuzufügen, heißt, dem Haus eine Seele zu geben." Cicero 

        Pseudo-Platon-Zitat.

      ________
      Quellen:
      Google-Statistik, Deutsch: Cicero: "Ungefähr 3 820 Ergebnisse"
      Googe-Statistik, Englisch: Plato: "Ungefähr 12 200 Ergebnisse"
      Marcus Tullius Cicero: Atticus-Briefe, lateinisch-deutsch. Herausgegeben und übersetzt von Helmut Kasten. Sammlung Tusculum, Artemis und Winkler, Düsseldorf / Zürich: 1990, 5. Auflage: 1998,  IV.8 (Link)
      Aphorismen.de
      Zitate.eu
      Rede von Frau Bundesministerin Dr. Claudia Schmied zur Eröffnung des „Belvedere Research Center“ am 27. Oktober 2009: (Link)
      the CAMPVS, 2011: "Cicero on books and the soul."
      Wikiquote: List of misquotations 


      Letzte Änderung: 1/12 2022.

      "Der Zinseszins war die größte Erfindung menschlichen Denkens." Albert Einstein (angeblich)

      Pseudo-Einstein quote.
      Im Januar 1972 wurde dieses Zitat noch in der Variante: “compound interest is the second greatest invention of mankind”, John Maynard Keynes unterschoben, im August 1976 erstmals Albert Einstein, wie Quote Investigator herausgefunden hat.
      Seitdem wird das Zitat in den verschiedensten Versionen Albert Einstein zugeschrieben, ab Mitte der 1980er Jahre auch auf Deutsch.

      Man hat lange geglaubt, Einstein könnte es wirklich so ähnlich an versteckter Stelle gesagt haben, inzwischen kann man sicher sein, dass das Zitat Albert Einstein erst Jahrzehnte nach seinem Tod unterschoben wurde. Geprägt wurde eine Version des Zitats ("greatest invention the world has ever produced") 1916 in einer Annonce von einem unbekannten Autor (Quote Investigator).

      • "Der Zinseszins ist das 8. Weltwunder."
      • "Die größte mathematische Erfindung des menschlichen Geistes? – Die Zinseszinsen!" 
      • "Der Zinseszins war die größte Erfindung menschlichen Denkens."
      • Einstein: "Auf die Frage nach der stärksten Kraft im Universum antwortete er spontan. 'Das ist der Zinseszins.'"
      • "Compound interest is the most powerful force in the universe."
      • "Compound interest is man’s greatest invention."
      • "Compound interest is the greatest mathematical discovery of all time."
      • "Compound interest is the eighth wonder of the world."
      • "Compound interest is the most powerful force in the universe."
      • "Compound interest is more complicated than relativity theory."
      _________
      Quellen:
      Zitat für Investoren
      Google Books
      "Was Privatanleger von Milliardären lernen können." Interview mit Peter Hollmann. Manager Magazin, 23. März 2015
      Snopes, updated 2011: "Einstein and Compound Interest Did Albert Einstein declare compound interest to be 'the most powerful force in the universe'?"
      Quote Investigator, 2011: "Compound Interest Is Man’s Greatest Invention. Albert Einstein? Advertising copywriter? Apocryphal?"

      „Wie viele Dinge gibt es doch, die ich nicht brauche!" Aristoteles (angeblich)




      Dieses berühmte Sokrates-Zitat wird fälschlich Aristoteles zugeschrieben. Das Sokrates-Zitat stammt aus der im 3. Jahrhundert n. Chr. entstandenen Schrift: "Über Leben und Meinungen berühmter Philosophen" von Diogenes Laertios.
      Erstmals Aristoteles unterschoben wurde dieses - inzwischen leider oft falsch zugeschriebene Zitat - im Jahr 2003 in einer völlig unseriösen Zitatesammlung für "Führungskräfte" (Link).

      Diogenes Laertios hat viele Anekdoten von Philosophen gesammelt, oft ohne Angabe seiner Quellen. Im II. Buch seiner Schrift über die berühmten Philosophen, im 5. Kapitel,  25, schreibt er zu SOKRATES:

      •  "Πολλάκις δ' ἀφορῶν εἰς τὰ πλήθη τῶν πιπρασκομένων ἔλεγε πρὸς αὑτόν, 'Πόσων ἐγὼ χρείαν οὐκ ἔχω.'" (Link)
      • "Oft sagte er beim Anblick der massenhaften Verkaufsartikel zu sich selbst: 'Wie zahllos sind doch die Dinge, derer ich nicht bedarf!'" (Link)
      • "Often when he looked at the multitude of wares exposed for sale, he would say to himself, "How many things I can do without!"
      • "And when he saw the vast variety of Commo∣dities that were put to sale among the Multitude, he was wont to say to himself, How many things are there in the World of which I have no need!"

      • "Quelquefois il jetait les yeux sur la multitude des choses qui se vendaient à l'enchère, en pensant en lui-même : Que de choses dont je n'ai pas besoin!"
      • "Di quante cose non ho bisogno." (Link)

      Dieses berühmte Sokrates-Zitat, von dem wir aus dem Altertum nur die eine Quelle in dem Text von  Diogenes Laertios kennen, wurde von vielen Philosophen kommentiert und von manchen Autoren  phantasiereich übersetzt:

      1766
      • "Aber die durch Erfahrung gereifte Vernunft, welche zur Weisheit wird, spricht in dem Munde des Sokrates mitten unter den Waaren eines Jahrmarkts mit heiterer Seele: Wie viel Dinge gibt es doch, die ich alle nicht brauche!" Immanuel Kant (Link)
      • "Sokrates hat weislich gesprochen: Der sey Gott am nächsten, welcher in dieser Welt am wenigsten vonnöthen hat; und als er einstens einem prächtigen Aufzuge der Reichen zusah, so rief er aus: Gott Lob, daß ich so viele Dinge nicht brauche!" (Link)
      1776
      • "Auch fodert das Beste der Menschheit nicht ungeheure Gelahrtheit von uns – der natürliche Mensch ruft, unter unsern Wissenschaften, wie Sokrates auf einem Jahrmarkte, aus; Gott sey Dank, wie viel ist hier, was ich nicht brauche."  (Link) 
      1777
      • "wie Sokrates einst bey einem prächtig aus meublirten Pallaste: wie viel ist hier, das ich nicht brauche!" (Link)

      1786
      • "Als Sokrates auf den Markt verschiedene schöne Sachen, die verkauft wurden, erblickte, sagte er: wie viel schöne Sachen sind hier, die ich nicht brauche. -" (Link)
      1813
      • "Als S o k r a t e s einst über den Markt ging, wo eine Menge von Dingen da stand, rief er aus: 'wie viele Dinge, die ich nicht brauche!'" (Link)

       1822:
      • "Was sprach der philosophische Faun, / Als er vorüber dem Markt, dem waarengefüllten daherging: / '– O wie viel ist nicht hier, das ein Vernünft'ger nicht braucht!'" (Link)
      1832
      • „Mitten unter den Schätzen des Luxus, rief Sokrates: „Wie Vieles ist, das ich nicht brauche.“  (Link)
       
      1869
      • "Sokrates ..., welcher allen Strapazen trotzt, vor die Silberläden tritt um sich zu freuen, dass er so Vieles nicht brauche".  (Link)

      1870
      • "Als Sokrates an Läden von Putzsachen vorüberging, rief er aus : Wie viele Dinge sind hier, die ich nicht brauche!" (Link)
       1871
      • "Jenes goldene Wort des Sokrates: „Wie vieles giebt es doch, das ich alles nicht brauche". (Link)

       2010
      •  "Als Sokrates einen Festzug durch Athen sah, bei dem Berge von Edelsteinen und Gold mitgeführt wurden, rief er nur: Seht nur, wie viele Dinge es gibt, die ich nicht brauche!" (Link)
      _________
      Quellen:
      Google Books
      Ingo Reichardt, Anne Reichardt: "Treffende Worte: 3000 Zitate für Führungskräfte." Linde Verlag, Wien: 2003, S. 89 (Link)
      Diogenes Laertios: Leben und Meinungen berühmter Philosophen. Buch I–X. Übers.: Otto Apelt. Philosophische Bibliothek. Bd. 53/54, Felix Meiner Verlag, Leipzig: 1921, II. Buch, 5. Kapitel, Sokrates, 25  (Link)
      ______
      How many things I can do without
      Socrates, on looking in the shop windows / On looking at an expensive shop

      "Du kannst den Hintern schminken, wie du willst, es wird nie ein ordentliches Gesicht draus." Georg Christoph Lichtenberg (angeblich)


      Dieses angebliche Lichtenberg-Zitat geht auf einen ähnlichen Satz Kurt Tucholskys zurück und wird wahrscheinlich zum ersten Mal 2004 von dem SPD-Abgeordneten Ludwig Stiegler im deutschen Bundestag dem Physiker Georg Christoph Lichtenberg unterschoben. (Link)


       Tucholsky, 1931:
      • " »Man kann den Hintern schminken, wie man will«, sagte Karlchen, »es wird kein ordentliches Gesicht daraus; Die Frau...« -- »Still!« sagte die Prinzessin."
        Kurt Tucholsky: "Schloß Gripsholm." 3. Kapitel (EA 1931) (Link)
      _________
      Quellen:
      Verhandlungen des Deutschen Bundestages: Stenographische Berichte, Band 220, Berlin: 2004, S. 8689 (Link)
      Kurt Tucholsky: "Schloß Gripsholm." (EA 1931) Projekt Gutenberg
      Lichtenberg-Gesellschaft: "'Lichtenbergs Enten.' Fälschlich Georg Christoph Lichtenberg zugeschriebene Zitate." pdf (Mit Hinweis auf das Tucholsky-Zitat)

      "Lasst uns das Leben genießen, solange wir es nicht begreifen." Kurt Tucholsky (angeblich)

      Pseudo-Tucholsky quote.

      Diese hedonistische Maxime stammt nicht von Kurt Tucholsky und taucht in den digitalisierten Medien das erste Mal im Jahr 1997, allerdings ohne Zuschreibung an Kurt Tucholsky auf (Link).

      In Kurt Tucholskys Schriften hat dieses Zitat noch niemand entdeckt, versichern Experten der Kurt Tucholsky-Gesellschaft.

      Friedhelm Greis versprach schon vor Jahren in seinem Sudelblog: "Sollte jemand dieses Zitat in Tucholskys Werk entdecken, bekommt er zur Belohnung ein Weltbühne-Lesebuch zugeschickt!"
      _________
      Quellen:
      (Link) (Bibliographische Angaben folgen.)
      Kurt Tucholsky-Gesellschaft: "Angebliche Tucholsky-Zitate", 2016 (Link)
      Friedhelm Greis verspricht in seinem Sudelblog: "Sollte jemand dieses Zitat in Tucholskys Werk entdecken, bekommt er zur Belohnung ein Weltbühne-Lesebuch zugeschickt!"
      _____ 
      Dank:
      Ich danke Friedhelm Greis für seine Sammlung falscher Kurt-Tucholsky-Zitate auf seinem informativen und amüsanten Sudelblog.

      Letzte Änderung: 26/4 2020

      "Das Ärgerliche am Ärger ist, dass man sich schadet, ohne anderen zu nützen." Kurt Tucholsky (angeblich)

      Pseudo-Tucholsky quote.

      Dieser Kalauer wurde Kurt Tucholsky 70 Jahre nach seinem Tod unterschoben.

      Der Tucholsky-Experte Friedhelm Greis war der Erste, der in seinem unterhaltsamen "Sudelblog" darauf aufmerksam machte, dass dieses Zitat in den Schriften Kurt Tucholskys nicht enthalten ist (Link). Bis heute konnte ihm noch niemand das Gegenteil beweisen.

      Das immer ohne Quellenangabe zitierte Falschzitat ist im im Internet äußerst beliebt, und wurde zum Beispiel auf Twitter seit dem Jahr 2009 schon von hunderten Leuten gepostet (Twitter).

      Varianten:

      • "Das Ärgerliche am Ärger ist, dass man sich selbst schadet, ohne anderen zu nützen."
      • "Das Ärgerliche am Ärger ist, dass man sich schadet, ohne anderen zu nützen."  

      Twitter-Bot:









      ________
      Quellen:
      Twitter
       Google;   (Google books)
      Sudelblog.de
      1973  "Das ist das Ärgerliche am Ärger, daß man sich ärgert." (Ohne Zuschreibung an Kurt Tucholsky)  (Link) 

      Beispiele für falsche Zuschreibungen an Kurt Tucholsky:
      Frühe Erwähnung: 2005 www.tierforum.de/;  2007 literaturschock.de/;   2007, S. 9 www.evkirche-amstetten.de pdf .

      fernstudium-journalismus.de
      http://www.kurt-tucholsky.info/zitate
      gratis-spruch.de
      uva.

      ______
      Dank
      Ich danke Friedhelm Greis für seine Dokumentation der falschen Tucholsky-Zitate in seinem Sudelblog.

      Letzte Änderung: 8. Juli 2018

      "Das Geheimnis der Veränderung ist, alle Energie nicht auf die Bekämpfung des Alten zu legen, sondern auf den Aufbau des Neuen." Sokrates (angeblich)

      Pseudo-Sokrates-Zitat.

      Dieses Zitat hat mit dem Athener Philosophen Sokrates nichts zu tun; es stammt aus dem 1980 publizierten Selbsthilfebuch, "Way of the Peaceful Warrior: A Book that Changes Lives". 

      Der Autor und später erfolgreiche Coach Dan Millman nennt in dieser romanhaften Autobiographie einen Mann in einer Tankstelle, der ihm gute Ratschläge gibt, "Socrates":
      • "Back in the office, Socrates drew some water from the spring water dispenser and put on the evening’s tea specialty, rose hips, as he continued. “You have many habits that weaken you. The secret of change is to focus all your energy not on fighting the old, but on building the new.”
        Dan Millman: "Way of the Peaceful Warrior: A Book that Changes Lives", 1980 (Zitiert nach Quote Investigator (Link))
      Dieses Buch wurde 2006 mit dem Titel "Peaceful Warrior" und Nick Nolte als "Socrates" verfilmt.

      Auf Deutsch ist dieses irrtümlich dem griechischen Philosophen Sokrates zugeschriebene Zitat in mehreren Variationen zu finden:
      • "Das Geheimnis der Veränderung ist, dass man sich mit all seiner Energie nicht darauf konzentriert, das Alte zu bekämpfen, sondern darauf, das Neue zu erbauen."
      • "Das Geheimnis der Veränderung ist, alle Energie nicht auf die Bekämpfung des Alten zu legen, sondern auf den Aufbau des Neuen".
      • "Das Geheimnis der Veränderung ist, seine ganze Energie darauf zu fokussieren, nicht das Alte zu bekämpfen, sondern das Neue zu errichten."
      • "Das Geheimnis des Wandels: Konzentriere nicht all Deine ganze Kraft auf das Bekämpfen des Alten, sondern darauf, das Neue zu formen."
      • "Das Geheimnis des Wandels ist es, all deine Energie zu konzentrieren, nicht um das Alte zu bekämpfen, sondern um das Neue zu erbauen." 
      • "Fokussiere all deine Energie nicht auf das Bekämpfen des Alten, sondern auf das Erschaffen des Neuen."


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      Quellen:
      Dan Millman: "Way of the Peaceful Warrior: A Book that Changes Lives", HJ Kramer, Tiburon, CA:1984, S. 113 (Zitiert nach Quote Investigator (Link))
      Quote investigator: "'The Secret of Change Is to Focus All of Your Energy, Not on Fighting the Old, But on Building the New.'  Socrates? Dan Millman? All-Night Gas-Station Attendant? Nick Nolte? Apocryphal?" 2013 (Link)
      Wikiquote 

      Letzte Änderung: 11/7 2022 (Neu: Fokussiere ...)